Auszug aud dem Roman von Christine Genc, erschienen 2011 im Artio Wortkunstverlag .....
Ungerechtigkeit, verspürt am eigenen Leib und in der Seele. Gehetzt von einer Angst in die andere. Zwischendurch Ruhe, um Verletzungen auszuheilen. Wir sind nicht versichert und so vernähe ich Wunden, Risse, über meinem Auge selbst. Rippenbrüche kann man bandagieren. Nur nicht Schmerzen zeigen. Das fächelt die Wut auf seiner Seite nur noch mehr an. Mein Sinn für Freiheit, Revolte verschüttet. Dem Schicksal beugen ist die Devise. Weihnachten 1976. Christbaum, Geschenke, Essen. Wir haben Besuch vom Hauswartehepaar. Es sind sehr liebe und nette Leute. Nach drei Stunden schläft er im leichten Suff ein. Ich sehe fern. Rauche in Ruhe eine Zigarette. Freue mich über den schönen Abend. Plötzlich, aus dem Nichts, regnet es Prügel. Was heißt Prügel. Es hetzt mich durch die Wohnung. Reißt die Küchenlade auf und schnappt sich ein Messer. Adrenalin schießt ein. Flucht aus der Wohnung. Zum Hauswart. Der öffnet die Tür, lässt mich durch eine Hintertür ins andere Haus. Ich laufe in den letzten Stock. Mein Atem kommt zur Ruhe. Nach drei Stunden ist der Wahnsinn vorbei. Ein Rippenbruch, ein blaues Auge. Die Kirchenglocken läuten. Stille Nacht, Heilige Nacht! Der nächste Tag erwacht. Mit ihm die Angst, wie es weitergehen soll. Atmen fällt mir schwer. Mein Kleiner kriegt mal was zu essen, frisch gewickelt spielt er in seinem Bettchen. Kein Stöhnen kommt über meine Lippen. Ich bandagiere wieder einmal meinen Oberkörper. Nur so geht es mit dem Atmen besser. Beginne mein blaues Auge zu überschminken, als er aufwacht. Er fragt, wer mir das getan hat. Sein Gedächtnis lässt ihn im Stich. Er tut mir leid. Denn ich empfinde, er braucht mich. Was macht er ohne mich. Gelobt, weniger zu trinken. Ich glaube und vertraue ihm. Jahreswechsel 1976/1977. Wir arbeiten beide an einem Sylvesterstand. Es ist kalt, aber doch ganz witzig. Seit Weihnachten kein Rausch mehr. Die Hoffnung auf Alltäglichkeit groß. Eine sehr liebe und ältere Dame schaut auf den Kleinen. Müde und erschöpft liegen wir um dreiundzwanzig Uhr im Bett. Keine Eskapaden. Der Trugschluss. Vier Monate seit seinem letzten Rausch. Es ist harmonisch. Glücklich bin ich. Sein Bruder kommt zu Besuch. Erzählt ihm von einem guten Job. Sie trinken nebenbei, dass sich die Balken biegen. Aber es kommt zu keinem Streit. Auch so gibt es nichts. Er geht mit seinem Bruder Parfümartikel verkaufen. Sie läuten einfach an Türen und verscherbeln das Zeug. Mit einem Wort sie “keilen”. Endlich wieder Bares. Mietrückstand, Licht und Gas, alles bezahlt. Es sieht nach schöner Zukunft aus. Nur er, er will nichts von echter Arbeit wissen. Das Geld ja, aber hackeln? Doch nicht er. Nur nicht selbst zuviel tun. Wein, Bier - wieder Hauptdarsteller. So kommt, was kommen muss. Ich soll keilen. Mein Bammel vor dem Anklopfen oder Anläuten ist enorm. Jedoch nach Prügel und Tritten ist auch die Schwellenangst besiegt. Oft bin ich allein unterwegs. Er passt auf den Kleinen auf. Wartet wie ein Zuhälter auf die Kohle. Ist es zu wenig, na dann darf es schon mal ein Hieb mit der Faust in die Magengrube sein. Schläge ins Gesicht sind schlecht für das Geschäft. Wer öffnet schon jemandem, der ein blaues Auge hat. Oder gar ein selbst geflicktes Cut. Psychostress, Gewalt, das ist Alltag. Noch immer bewegt sich nichts in meiner Seele. Ich bin erstarrt. Mein Wille ist so klein, dass er unter dem Mikroskop nicht zu finden ist. Mögliche Auslöser für seine Wut. Seine nicht vorhandenen Englischkenntnisse. Ein verlorenes Tischtennismatch. Gehobene Aussprache. Wissen um große Literatur. Lesen ist nur im Geheimen möglich. Nur nicht an seiner Herrlichkeit kratzen. Schon gar nicht vor anderen. Mein Kopf, eine leere Hülle. So ist es in Ordnung. Er, der Mittelpunkt, der Ungeliebte. Das Haustorkind. Er, er, er hängt mir zum Halse raus. Die Zeit zum Loslösen aber noch nicht vakant...
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